Auf dem Olavsweg durch Norwegen

Text und Fotos: Stephan Käufer
Auf dem Pilgerpfad

Auf dem Pilgerpfad

Im Gänsemarsch geht die Gruppe hintereinander. Die Hand des Vordersten greift nach einem in den Trampelpfad ragenden Ast. Packt zu, drückt ihn beiseite, und bevor er zurückschnellen und jemanden verletzen kann, übergibt sie ihn der folgenden, achtsam zugreifenden Hand. Einige Mal wiederholt sich dies, bis der letzte der Gruppe die Stelle passiert und der Pfad, wieder wie unberührt, im Halbdunkel des Waldes liegt. Schließlich ist der Hauptweg erreicht, jetzt gehen die Pilger in Gruppen zu zweit oder zu dritt nebeneinander. Einige reden miteinander, andere sind in sich gekehrt, dann und wann ein Lachen. Zwei Mountainbiker in buntem Dress und auf hochtechnisch aussehenden Bikes kommen der Gruppe entgegen. Blaue Beeren wachsen am Wegesrand. Zwei Frauen aus der Gruppe bücken sich nach ihnen. Häufig, und immer an den Kreuzungen, kennzeichnet das Symbol des Olavsweges den Pilgerpfad. Ein rotes Olavskreuz durchflochten von einem grauen Schleifenquadrat auf weißem Grund.

Trondheim ist erreicht

Trondheim ist erreicht

Endlich erreichen die Pilger die ersten, auf Hügeln oberhalb des alten Stadtzentrums liegenden Häuser der mittelnorwegischen Stadt Trondheim. Nach ein paar Straßenzügen geben die Häuser den Blick frei. Nidaros, wie die Stadt im Mittelalter genannt wurde und der tiefblau schimmernde Fjord präsentieren sich in der warmen Mittagssonne. Mitten im Häusermeer der Nidarosdom. Gewidmet dem heiligen Olav, ehemalige Krönungsstätte norwegischer Könige und Ziel der Pilgerreise.

Der Nidarosdom

Der Nidarosdom

Kurz nach dem Tod von Olav II. Haraldson im Jahre 1030 auf dem Schlachtfeld von Stiklestad, begann die Legendenbildung um den König der Norwegen einte. Aus dem Wikingerfürsten wurde Olav der Heilige. Christliche Bauern brachten seinen Leichnam nach Trondheim. Standesgemäß wurde der König in einer Kirche beigesetzt. Später wurde an dieser Stelle der Nidarosdom errichtet. Mit seiner Heiligsprechung, bereits ein Jahr nach der Schlacht, begann die Wallfahrt zu seinem Grab. Mehrere Pilgerrouten existierten im Mittelalter. Vier werden heute gepflegt, zwei davon gelten als Hauptwege. Der eine kommt von Süden, von Oslo aus, führt durch das Gudbrandsdal und über das Dovrefjell um schließlich Trondheim zu erreichen. Der zweite Pilgerweg, St. Olavsleden genannt, folgt dem Weg, den der König vor der Schlacht von Stikelstad genommen haben soll. Er beginnt an der schwedischen Küste bei Sundsvall und führt über Östersund und Stiklestad nach Trondheim.

Auf dem Pilgerpfad

Auf dem Pilgerpfad

„Der Stock steht für die Freiheit, der Rucksack für die Einfachheit. Die Wanderschuhe symbolisieren die Langsamkeit und der Hut die Stille. Das Zelt behütet und gibt Obdach und bedeutet somit auch Unbekümmertheit gleichsam das „frei sein von Sorgen“. Letztes Pilgersymbol ist die Muschel, sie bedeutet Spiritualität und innere Wanderung“. Mit knappen Worten erklärt Jörg Kunzendorf die Symbole der Pilgerfahrt und stellt den Bezug zur Jakobsmuschel, dem Symbol aller Pilgerreisenden her. Jörg lebt in Trondheim.Viele Pilgergruppen, die den Olavsweg gegangen sind, hat er geführt. Heute ist er einmal mehr mit einer Gruppe die letzte Etappe der Osloroute gegangen.

Über Jahrhunderte war die Pilgerfahrt zum Grab des Heiligen Olafs eine der wichtigsten Pilgerfahrten Nordeuropas. Während der Reformation und der dänischen Fremdherrschaft über Norwegen verlor sie an Bedeutung. Mit der Renaissance des Pilgerns Mitte der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts wurde auch der Olavsweg wiederentdeckt. Als zweiter Pilgerweg wurde er nach dem Jakobsweg im Jahre 2010 durch den Europarat in die Liste Europäischer Kulturstraßen aufgenommen. Viele Herbergen unterschiedlicher Kategorien stehen den Pilgern entlang des Weges als Nachtlager zur Verfügung. Manche, so wie die Pilgerherberge in Trondheim unweit der Domkirche, pflegen einen Jugendherbergsstil. Andere sind etwas handfester beschaffen.

Ankunft an der Pilgerherberge in Trondheim

Ankunft an der Pilgerherberge in Trondheim

Rot glänzen die Wände des alten Stabbur. Auf Stelzen ist er errichtet und die Eingangsstufen sind nicht bis an die roh gezimmerten Holzwände und die Eingangstür herangezogen. Etwa zwanzig Zentimeter trennen die Stufen vom Gebäude. Mäuse beherrschen bis zum heutigen Tag den Stabhochsprung nicht. So stellt die Bauweise eine wirkungsvolle Methode dar, die kleinen Nager vom Inhalt des Holzhauses fernzuhalten. Bis in die 70iger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts wurden Stabburen in Norwegen als Getreidespeicher benutzt. Etwa sechs mal sechs Meter im Grundriss, zwei Stockwerke hoch und mit einem Satteldach gekrönt, dient der ehemalige Getreidespeicher heute als Pilgerherberge. Inmitten einer Feld-, Wiesen- und Waldlandschaft gelegen, unweit der Ruinen des alten Kloster Munkeby, ist der Stabbur Bestandteil eines typischen Trönderhofes. Hakon Fiskvik, dem der Hof gehört, hat den Stabbur hier am St. Olavsleden, etwa einen Tagesmarsch südlich von Stiklestad, in eine Pilgerherberge umgebaut.

In Trondheim

In Trondheim

Die Einfachheit des Pilgerlebens will so gar nicht in die üppige Pracht dieser mittelnorwegischen Landschaft passen. Die wogenden Getreidefelder, die sattgrünen Wälder und die fischreichen Flüsse entführen die Fantasie, lassen die Gedanken schweifen und führen sie so zu innerer Ruhe, Einkehr und Spiritualität. Werte, die in einer sich immer schneller drehenden Welt umso wertvoller erscheinen.


63.431371,10.394398
Trondheim, Norwegen

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